Grundsätzlich existieren eine Vielzahl von Lebensdauertabellen für Bauteile respektive Elementgruppen, welche von diversen Organisationen/Institutionen wie beispielsweise dem Hauseigentümerverband oder diversen Grossbanken publiziert werden und für jedermann frei zugänglich sind. Auf dieser Basis lassen sich theoretische Sanierungszyklen für Mehrfamilienhäuser gut ableiten und man kann als «Faustregel» bei Teilsanierungen von 20-30 Jahren und bei Gesamtsanierungen von 40-60 Jahren ausgehen. Diese Aussage mag für eine langfristige Sanierungsplanung in einem Portfolio ausreichend sein, in der kurz- und mittelfristigen Planung ist allerdings eine Auseinandersetzung mit dem tatsächlichen Zustand der Liegenschaft unumgänglich.
Zwar geben statistische Werte eine Indikation für die theoretische Lebensdauer von Bauteilen, wie sich diese dann aber in der Realität verhalten, hängt sehr stark von der effektiven Material- und Ausführungsqualität sowie der ordentlichen Durchführung des laufenden Unterhalts ab. So ist Flachdach nicht gleich Flachdach und die Notwendigkeit einer Sanierung kann von Fall zu Fall auch schnell einmal um 10 Jahre variieren.
Die grossen Hebel liegen hier in einer guten Planung, der Sicherstellung einer hohen Ausführungsqualität sowie der Kontinuität im Unterhalt.
Unabhängig von der Grösse des Wohnungsbestandes ist es von zentraler Bedeutung, ein fundiertes Wissen über den Zustand jeder einzelnen Liegenschaft zu haben und darauf abgestützt eine Sanierungsplanung über das gesamte Portfolio zu erstellen und regelmässig zu aktualisieren. Für den gemeinnützigen Wohnbauträger bringen grössere Sanierungen grundsätzlich drei grosse Herausforderungen mit sich: Erstens müssen die finanziellen Mittel zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung stehen, zweitens muss die Organisation über die notwendigen personellen Ressourcen verfügen und drittens besteht bei umfassenden Sanierungen die Notwendigkeit, Bewohner umsiedeln zu können, was das Vorhandensein von Wohnraumersatz bedarf.
Als konkrete Handlungsempfehlung legen wir jedem Bestandshalter unabhängig von seiner Grösse nahe, drei Instrumente in seinem Liegenschaftenportfolio fest zu institutionalisieren:
1. Eine technische Zustandsanalyse pro Liegenschaft.
2. Eine den Zustand und das Potenzial der Liegenschaft berücksichtigende Objektstrategie.
3. Eine auf die einzelnen Objektstrategien abgestützte langfristige Bestandsplanung über das gesamte Portfolio als strategisches Entscheidungsinstrument.
Am Anfang steht die Erhebung des technischen Zustands jeder einzelnen Liegenschaft, damit überhaupt eine belastbare Aussage über Art, Umfang und Zeitpunkt von allfälligen Sanierungsmassnahmen getroffen werden kann. In einem zweiten Schritt ist das Potenzial der Liegenschaft zu ermitteln. So kann sich zum Beispiel bei nicht mehr zeitgemässen Grundrissen und vorhandenem Ausnützungspotenzial ein Ersatzneubau anbieten. Mittels Szenariovergleich werden die sich bietenden Varianten einander gegenübergestellt und daraus die optimale Objektstrategie abgeleitet. Im dritten Schritt sind die Erkenntnisse aus den Bestandesaufnahmen und der Potenzialanalyse in eine langfristige Bestandsplanung über das gesamte Portfolio zu überführen. Die objektspezifische Sanierungsplanung erfolgt dadurch auf Basis einer ganzheitlichen Betrachtung und die Faktoren finanzielle Mittel, personelle Ressourcen und Wohnraumerbedarf des gemeinnützigen Wohnbauträgers werden entsprechend berücksichtigt.
Wie vorstehend im zweiten Schritt bereits angeführt, darf man bei der Sanierungsplanung auf keinen Fall die Berücksichtigung von möglichen Ausnützungspotenzialen ausser Acht lassen. So stammt zum Beispiel ein Grossteil des Siedlungsbestands von Genossenschaften aus den 1950er und 1960er Jahren. Seither wurden die Bauordnungen vielfach einer Revision unterzogen und die zulässigen Ausnutzungen oftmals angehoben. Bei der Festsetzung einer Sanierungsstrategie sollte deshalb stets eine mögliche Siedlungserneuerung geprüft werden. Eine erste grobe Potenzialabschätzung ist hier oftmals mit einem überschaubaren Aufwand möglich.
Eine technische Zustandsanalyse sollte professionell erstellt und in der Regel alle fünf Jahre bei einer Begehung vor Ort vom Fachmann aktualisiert werden. Dies dient nicht nur der Feststellung, ob ein über- oder unterdurchschnittlicher Verschleiss erfolgt und die Sanierungsplanung gegebenenfalls angepasst werden sollte, sondern es können auch mögliche Beschädigungen von Bauteilen festgestellt und der Bestand jeweils auf die aktuellen Normen und gesetzlichen Bestimmungen hin überprüft werden. Im gleichen Intervall empfehlen wir die Überprüfung der jeweiligen Objektstrategie für die Liegenschaft und daraus abgeleitet die oben erwähnte Bestandes- und Investitionsplanung über das gesamte Portfolio.
Ein oft anzutreffender Fehler liegt darin, dass Unterhalts- und Sanierungsmassnahmen ereignisgetrieben und nicht strategisch geplant vorgenommen werden (was beim Fehlen einer Objektstrategie die Regel darstellt). Mit anderen Worten: Man handelt erst, wenn es schon brennt. Dies führt dazu, dass Massnahmen nicht sauber aufeinander abgestimmt werden können und letztlich ein Gebäudezustand erreicht wird, der sehr heterogen ist und verhindert, dass eine Liegenschaft ökonomisch sinnvoll mittels Gesamtsanierung erneuert werden kann. Ansonsten ist immer wieder zu beobachten, dass unterschätzt wird, wie wichtig eine saubere Kommunikation im Vorfeld einer Sanierung ist, damit die Bewohner die Unannehmlichkeiten mittragen und bereit sind, ihren Beitrag zu einem sauberen Bauablauf zu leisten.
Im Rahmen einer Gesamtsanierung stellt sich die Frage in der Regel nicht, da die Planung nach dem neusten Stand der Technik sowie auf Basis der aktuellen Normen und gesetzlichen Bestimmungen erfolgt und die meisten Bauteile ersetzt oder zumindest ertüchtigt werden.
Bei Teilsanierungen gilt es die energetischen Sanierungsmassnahmen im Einzelfall zu bewerten. Hier können bei Altbauten bereits mit kleinen Massnahmen grosse Erfolge erzielt werden, ohne dass eine Gesamtsanierung durchgeführt werden muss. Beispiele sind hier die nachträgliche Dämmung der Kellerdecke, der obersten Geschossdecke sowie von Storenkästen oder Heizrohren. Der Heizungsersatz, idealerweise mit einem Wechsel auf einen nicht-fossilen Energieträger, sowie die Installation von elektronischen Thermostaten können ebenfalls zu einer deutlichen energetischen Verbesserung bei niedrigen Investitionskosten beitragen.